Bitte recht felherfreundlihc
Ein möglicher Weg zu einer konstruktiven Fehlerkultur in Organisationen
Dass Fehler unvermeidlich sind und Chancen zum Lernen bieten, darüber besteht wohl ein breiter Konsens. Daraus nicht zu lernen, wäre sozusagen der einzige schlimme Fehler. Doch viele Non-Profit-Organisationen verfallen trotz guter Absichten fehlerfreundlicher zu werden, in alte Muster: Fehler werden vertuscht, Schuldige gesucht und getadelt. Allenfalls richtet eine NGO eine Whistleblower-Stelle ein - was ein Indiz für eine mangelhafte Fehlerkultur sein könnte (und deshalb auf Anonymität ausgewichen werden muss).
Dieser Mangel hat verschiedene Ursachen. Es beginnt schon nur damit zu definieren, was überhaupt ein Fehler ist - und sodann einen solchen in komplexen Situationen eindeutig zu bestimmen. Ausserdem gibt es für die Bewertung der Schwere eines Fehlers und für die Zuordnung von Verantwortung meist verschiedene Sichten. Hinzu kommt Unsicherheit darüber, ob heutige Fehler morgen noch relevant sind (oder sich gar als richtig erweisen).
Erschwerend ist schliesslich auch noch, dass der offene Umgang mit Fehlern in unserer Gesellschaft selten selbstverständlich ist. Man schämt sich oft dafür und ist versucht, Fehler zu verbergen.
Was ist Fehlerkultur?
Man ist wenig fehlerfreundlich eingestellt, steigt man in ein Flugzeug oder liegt man auf dem Operationstisch: Wer möchte nicht sicher am Bestimmungsort ankommen bzw. nicht fachlich korrekt operiert werden? Fluggesellschaften und Spitäler haben denn auch mehrfach abgesicherte Systeme. Zwar kommt es immer wieder zu Unfällen, doch zu verhältnismässig wenigen. Und wenn doch, ist es meist weder eine technische Fehlfunktion noch mangelnde Fertigkeiten, sondern die nicht vorhandene Fähigkeit der Betroffenen, angemessen auf eine Stresssituation zu reagieren. Das lässt sich nur verbessern, wenn akzeptiert wird, dass Fehler passieren, und wenn Gelegenheiten geschaffen werden, solche besonderen Situationen einzuüben.: Sei es die angehende Herzchirurgin, die 50 Mal assistiert bevor sie selber operiert, sei es die Pilotin im Flugsimulator oder der Geiger im Orchester, der übt und übt.
Die Art des Umgangs mit Fehlern in einer Organisation ist ihre Fehlerkultur. Jede Organisation hat eine - bewusst oder unbewusst. Eine konstruktive Fehlerkultur sieht Fehler als etwas Normales und als Lernchance an. Sie ist gelebte und reflektierte Praxis des „Versuch und Irrtum“, weil niemand in der zunehmend komplexen Welt ums Ausprobieren herumkommt. Dabei muss jeder Versuch verfolgt werden, um aus den Lehren die Massnahmen anpassen zu können (siehe Kolumne „komplexe Welt“). Denn: Wer Neuland betritt, kann nicht alles im Voraus wissen und kann nicht keine Irrtümer begehen.
Fuck-up nights und failing forward
Vor ein paar Jahren war es ein Trend, öffentlich über das eigene Scheitern zu sprechen. So gab es sogenannte „Fail Nights“ oder auch „Fuck-up Nights“, die eine Plattform für Start-ups der Tech-Branche boten, aus den Fehlern anderer zu lernen. Einige NGOs entwickelten ein ähnliches Format, die sogenannten „Failing Forward“ Workshops, um andere aus den Lehren von Fehlern teilhaben zu lassen und diese dadurch zu vermindern. Auch meine Organisation probierte es aus – mit guter Resonanz, doch dann versandete das Projekt.
Warum blieb es bei Versuchen, obwohl die Idee überzeugend ist? Diese Events zogen offenbar häufig Selbstdarsteller an, die sich nicht mehr mit Erfolgen, sondern nun mit Fehlern brüsteten. Zudem stellte man fest, dass die Start-up-Mentalität „Fail fast, learn faster“ die Gefahr birgt, Fehler zu glorifizieren und so Leichtsinn zu fördern. Bei „Failing Forward“ war das zwar nicht der Fall, doch die Workshops waren zu aufwändig (zu viele Leute aus verschiedenen Ländern). Gutes Lernen aus Fehlern braucht eher kontinuierliche Reflexion im Alltag und nicht grosse Inszenierungen.
Oft blieb das Grundproblem unverändert: In vielen Organisationen gelten Fehler noch immer als Schwäche. Und Schwäche hat keinen Platz; man riskiert Nachteile. Man setzt lieber auf bekannte Methoden, statt neue auszuprobieren. Verantwortung wird gescheut, oft auch, weil nicht geklärt ist, was ‚Verantwortung übernehmen‘ genau bedeutet. Das wären übrigens interessante Punkte für Bewerbungsgespräche.
Dass Fehler nicht das Ende, sondern Ausgangspunkt für Verbesserung sein können, zeigt zum Beispiel Google. Was immer man auch vom Tech-Giganten und seiner Macht halten mag, sein Markterfolg beruht wesentlich aus dem konsequenten Lernen aus Fehlern; nach dem Motto: “Wir müssen die Fehler schneller begehen als die Konkurrenz“ (mehr dazu in der Fussnote *). Ähnlich in früheren Zeiten Toyota, deren Markterfolg auf einem ausgeklügelten Fehlermanagement nach dem Poka Yoke Prinzip beruht (japanisch für „Verhinderung vermeidbarer Fehler“).
Aber Achtung: Irrtum kann zwar zu Erfolg führen, doch nicht jedes Scheitern ist produktiv – manche Fehler sollte man besser vermeiden. Wenn sie viel Schaden anrichten, oder wenn sie weh tun, frustrieren oder trennen.
Was zeichnet eine konstruktive Fehlerkultur aus? Wie sie entwickeln?
Eine konstruktive Fehlerkultur bedeutet ein Bekenntnis zur Lernenden Organisation und heisst, ein Detektions- und Anreizsystem zu etablieren und eine explizite Ermunterungskultur zu leben. Diese
ermöglicht das offene Ansprechen und Eingestehen von Fehlern, Irrtümern und Missgeschicken, ohne dass Herabwürdigung oder Sanktion befürchtet werden muss (Strafen führen ohnehin vor allem dazu, dass Fehler versteckt werden. Ausserdem sind sie oft nur symptomatisch für Unzulänglichkeiten in Arbeitsprozessen). Das enttabuisiert Fehler und sie können so dazu dienen, Prozesse und Produkte zu verbessern.
Der Weg zu einer solchen Fehlerkultur beginnt mit einem gemeinsamen Verständnis dessen, was überhaupt als Fehler gilt (siehe Kasten „Klassifizierung“) und mit einem Bekenntnis zu Fehlertoleranz. Gefolgt von einer Analyse der aktuellen Situation: Was funktioniert bereits? Wie werden heute Fehler gemeldet, was geschieht damit? Haben Mitarbeitende Angst, Fehler einzugestehen? Hängt es an Einzelpersonen, was mit Fehlern passiert?
Auf dieser Basis lässt sich ein Vorgehen vereinbaren, das jeder/m erlaubt, unabhängig von Stellung und Dienstalter, Fehler zu benennen, zu melden und Verbesserungsvorschläge anzubringen. Ergänzt mit einem Anreizsystem, das Offenheit belohnt. Dazu gehört ebenfalls, den Ursachen von Fehlern nachzugehen und präventive Massnahmen einzuführen. Hat man schliesslich einen Prozess definiert, empfiehlt es sich, diesen zuerst in einem Bereich zu testen, bevor er in der ganzen Organisation eingeführt wird.
Verankert und gefördert werden kann die Fehlerkultur durch aktive Kommunikation, konstruktive Rückmeldungen und Rituale – etwa indem in Teamsitzungen der „Beste Fehler des Monats“ vorgestellt und besprochen wird, um so Erfahrungen im Team sichtbar und nutzbar zu machen.
Fazit
Wo Menschen handeln, wird geirrt. Fehler sind quasi Voraussetzung für organisationalen Wandel. Und wenn nun die künstliche Intelligenz dazu kommt, mag sie zwar bei gewissen Anwendungen schnell und fehlerfrei sein. Doch die als Wahrheiten daher kommenden Behauptungen und oft auf Stereotypen basierenden Aussagen sind eine trügerische Sicherheit und können weitere Irrtümern verursachen.
Umso mehr ist eine konstruktive Fehlerkultur m.E. unverzichtbar, in der Fehler angstfrei frühzeitig angesprochen werden können.
PS: Wie viel von einem Fehler muss man selbst machen, um nachhaltig zu lernen? Oder umgekehrt gefragt: Wie viel kann von anderen gelernt werden, so dass ein Fehler vermieden werden kann - oder muss man gewisse Fehler zu einem Teil selbst machen, um lernen zu können?
Klassifizierung von Fehlern (Quelle: Wikipedia)
Als Fehler wird die Differenz zwischen einer Vorgabe, Theorie oder Absicht und deren nicht (ganz) gelungenen Umsetzung: Die Abweichung bezeichnet man als fehlerhaft oder als Scheitern. Ein Fehler wird begangen, weil man es nicht besser wusste, wegen mangelnder Aufmerksamkeit, Vergesslichkeit, Missverständnis, fehlende Standards, ungenügender Erfahrung oder wegen fehlerhafter Ausführung etc. Die Folgen reichen von harmlosen Tippfehlern bis zu schwerwiegenden Sicherheitsrisiken.
Laut Wikipedia können Fehler grob in drei Kategorien unterteilt werden:
- Unbeabsichtigt (Versehen, Unachtsamkeit)
- Zielgerichtet (z. B. Sabotage)
- Mutwillig (bewusster Regelverstoß)
Und u.a. wie folgt klassifiziert werden:
- Normabweichung: Produkt entspricht nicht der Spezifikation oder Vorgabe.
- Formale und inhaltliche Fehler: Formal (z. B. Grammatikfehler) bzw. inhaltlich (fachliche Fehler mit unterschiedlicher Schwere)
- Schwere der Folgen: Kritisch (hoher Schaden); Hauptfehler (mittlere Auswirkung, z. B. verminderte Brauchbarkeit); Nebenfehler (geringe Relevanz, z. B. optische Mängel)
- Nach der Priorität: (a) Hoch (Systemausfall, aufwändige Behebung); (b) Mittel (Behebung ohne Unterbrechung möglich). (c) Niedrig (einfache Korrektur).
- Kundenauswirkung: Gering bis schwerwiegend.
* Zitat von neuenarrative.de: “Anfang des Jahrtausends kam ein neuer Trend aus dem Silicon Valley: Plötzlich wurden Fehler und Scheitern als Erfolgsgeheimnis gepriesen. Unter Tech-CEOs entbrannte ein regelrechter Konkurrenzkampf darum, wer die meisten Misserfolge aufzählen konnte. Plötzlich boten zahlreiche Veranstaltungen Gründer*innen und Unternehmer*innen Gelegenheit, öffentlich ihre Flops zu zelebrieren: Von der ersten FailCon 2009 in San Francisco bis zu den zahllosen Fuck-up Nights, die von Mexiko City über Amsterdam bis Tokyo stattfanden. Mit Mottos wie ‚fail fast, fail often‘ erklärt(e) die digitale Wirtschaft, wie viel schneller Innovationen entstehen, wenn man Fehlgriffe einplant, als wenn man zwanghaft versucht, sie zu vermeiden. Und 2017 erklärte Facebook-Gründer Marc Zuckerberg ‚the freedom to fail‘ zur Voraussetzung unternehmerischen Erfolgs.“
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Unser Gastautor
Kuno Roth schreibt nicht nur Kolumnen, sondern auch Gedichte: Sein siebter Lyrikband – «seelensee – gedichte zu inneren und äusseren landschaften» – erschien im November bei PRO LYRICA: 100 feinsinnige, aufbauende Gedichte über vielfältiges Natur-Erleben. «Bodennah mit Tiefe», meint der Verlag dazu. «Sowohl Dünger als auch feine Hacke zum Schürfen im Seelengarten» findet eine Leserin.
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