Mond Oberfläche

Zum Mond und zurück

Ein Apollo-Programm fürs Klima?

Der Psychologe Richard Wiseman untersuchte die Erfolgsfaktoren des US-amerikanischen Raumfahrtprogramms «Apollo». Ihn interessierte dabei nicht die technische Seite, sondern er wollte herauszufinden, warum und wie es aus psychologischer Sicht möglich war, das eigentlich Unmögliche zu schaffen und auf dem Mond zu landen. Denn die Ausgangslage 1961, als das Programm gestartet wurde, war mickrig: Gerade mal auf 187 Kilometer über die Erdoberfläche hatte es bis anhin ein US-Astronaut geschafft. Doch der Mond, 350’000 Kilometer entfernt, wurde 1969 tatsächlich von den ersten zwei Menschen betreten. 

Diese mission impossible wurde vom damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy 1962 öffentlich angekündigt. Ihre technisch-wissenschaftliche Geschichte wurde kürzlich zum 50. Jahrestag der Mondlandung von den Medien ausführlich beschrieben. Die psychologischen Aspekte der Mission hat nun Richard Wiseman aufbereitet. Er hat dafür in Archiven recherchiert und Beteiligte interviewt. Einige von ihm herausgeschälte psychologische Erfolgsfaktoren könnten kampagnenrelevant sein, nämlich:

Teamgeist, Bescheidenheit und echte Fehlerfreundlichkeit

Allen Crewmitgliedern ging es einzig darum, zusammen etwas Grosses zu erreichen, und nicht einzeln als etwas zu gelten. Das heisst, echte und deswegen effektive Teamarbeit stand im Zentrum (was nicht ganz dem heutigen Zeitgeist mit den Shooting Stars und Personenfixierung entspricht). Bescheidenheit, Offenheit und Vertrauen ineinander formten den Teamgeist, und viceversa. Zuträglich für den Teamgeist und von diesem abhängig war, dass Fehler als interessant und nicht als gilt-es-zu-vertuschen gesehen wurden. «Failing forward» war die Devise: Fehler tatsächlich als grosse Lernchancen zu sehen, bedarf eines guten Teamgeists bzw. grossen gegenseitigen Vertrauens.

Passion und Kreativität

Der Projektmitarbeitenden «Problem» war nicht, jeden Tag zur Arbeit zu gehen. Das Problem war eher, wieder nach Hause zu kommen. «Diese Leidenschaft war enorm wichtig», sagte Richard Wiseman in einem Interview (TA und BUND, 20.7.19). Mit anderen Worten: gleichgesinnt und doch divers im Können und in der Passion, so kann das gemeinsame Ziel erreicht werden. Und Kreativität entwickelte sich unter anderem aus dem Prinzip, dass nicht gleich mit der ersten (scheinbar) guten Idee losgerannt wurde, sondern sich stattdessen zu zwingen, zuerst noch weitere Ideen zu kreieren. Förderlich war ebenfalls, darüber nachzudenken, was alles schief gehen könnte und durch Simulationen im Voraus Lösungen für möglicherweise eintretende Situationen vorzubereiten.

Viele kleine Schritte führen zum Ziel

Ein aus realität-gewordenen Projekten bekannter Erfolgsfaktor war auch bei Apollo zentral: Das grosse Ziel in kleine Schritte teilen, Schritt für Schritt gehen. In den Worten Wisemans: «Zuerst schickten sie einen Astronauten auf Erdumlaufbahn, dann fügten sie einen Astronauten hinzu und so weiter bis sie auf den Mond landeten». Die Kraft der kleinen Meilenstein-Erfolge brachte das grosse Ziel näher. «Brauche das grosse Ziel zum Motivieren, aber konzentriere dich auf den kleinen Schritt vor dir» (Wiseman).

Rückzug und Unwissenheit

Das Apollo-Team schaffte die Mondlandung nur, weil es sich zurückgezogen hatte und abgekapselt von der Welt und möglichen Ablenkungen auf sich konzentriert arbeitete. Alle Mitglieder des Kernteams waren unter 30, also als Uni- und Fachhochschulabgänger erfahrungsarm, so dass sie sozusagen gar nicht wissen konnten, dass das eigentlich gar nicht gehet. Es genügte, dass der charismatische Präsident sagte: «Wir gehen auf den Mond, also spuckten wir in die Hände», wie es ein Interviewter formuliertesagte. Und ausserdem waren sie frei von familiären Pflichten und Freuden, also in einer Lebensphase, in der es darum geht, seine Position erst noch zu finden und Flexibilität naturgemäss dazu gehört.

Und wie stehts mit dem Klima-Mond?

Auch globaler Klimaschutz scheint eine mission Impossible zu sein. Der Klima-Mond ist weit entfernt: «Netto Zero CO2 by 2035 (or 2050)». Wir wollen und müssen auf diesen Mond. Was also könnte durch Anwendung der psychologischen Lehren aus dem Apollo-Programm getan werden, die Klimarakete zu bauen? 

Moon Landing

Holzschnittartig zum Beispiel so: Eine Gruppe von NGOs ergreift die Initiative und sucht Forschungs- und Verwaltungs-Institutionen sowie soziale Unternehmungen, die sich für eine Klima-Mission zusammen tun und sie grundfinanzieren, u.a. dadurch, dass jede eine Anzahl junger Mitarbeitende dafür freistellt. Diese bilden das interdisziplinäre Kernteam. Dieses zieht sich beispielsweise in drei globalen Hubs für zwei oder drei Jahre zurück, mit dem Auftrag, die Klima-Rakete zu entwickeln und zur Zündung vorzubereiten. Expert/innen gesellen sich nur als Sounding Board und für Beratung punktuell hinzu. Stiftungen decken die operativen Kosten sowie jene für die Zündung und das Follow-up. Wer könnte das ankünden? Vandana Shiva oder Barak Obama mit einer afrikanischen Greta oder einem asiatischen Greterich, zum Beispiel.

Natürlich, Mondraketen sind primär eine technische Sache und kompliziert, die Klimarakete primär eine menschliche und daher komplex. Wie aber Wiseman zeigt: Auch bei der Rakete spielte menschliches Lernen eine zentrale Rolle. Somit lässt sich vom Mond fürs Klima lernen. 

*Shoot for the Moon, Richard Wiseman – «about the mindset that got humanity to the moon» (auf Deutsch: «Sprung auf den Mond: Wie wir Unerreichbares schaffen können». Oder siehe auch: https://balance.media/lessons-learned-richard-wiseman/.




Kuno Roth

Unser Autor

Arbeitet seit drei Jahren als Leiter des globalen Mentoring-Programms bei Greenpeace International. Zuvor war er 25 Jahre lang Bildungsverantwortlicher von Greenpeace Schweiz. 

Jahrgang 57, Dr. rer. nat., ehemaliger Chemiker, arbeitet nun als Humanökologe, Lernspezialist sowie auch Schriftsteller. Neben Kolumnen schreibt er vor allem Gedichte und Aphorismen. Seine letzten Veröffentlichungen sind “Im Rosten viel Neues” (Gedichte, 2016) sowie “Aussicht von der Einsicht” (Aphorismen, 2018). Mehr unter https://prolyrica.ch/b-b/kuno-roth.

Kuno Roth