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lokal+fair statt global und günstig

(Gastbeitrag Meret Schneider)

T-Shirts für 5 Franken, doppelwandige Edelstahl-Saucières für 9.95 oder 12 Baumwoll-Küchentücher für 12 Franken - wer kennt sie nicht? Die Anzeigen von Temu, die immer wieder für mehr oder weniger brauchbare Gegenstände und Accessoires werben, die eines vereint: Sie sind absurd billig. Meine erste Assoziation zu Temu ist denn auch: Maximal preisgünstige Produkte, die durch den Paketstau die internationalen Lieferketten verstopfen. Diesem Image will Temu nun offenbar ein Ende setzen und versucht sich in Fairwashing, bislang allerdings ohne Erfolg.

Local-to-local heisst das Programm, das am 15. September lanciert wurde und mit dem sich Temu einen lokaleren Anstrich verleihen will. Doch die frische Fassade beginnt bereits zu bröckeln, wenn man sie nur leicht auf ihre Glaubwürdigkeit abklopft. Mit dem neuen local-to-local Programm sollen Schweizer Händler ihre Produkte direkt auf der Plattform anbieten können, wodurch sich Temu gemäss eigenen Aussagen als Online-Marktplatz für lokale Unternehmen präsentieren und Schweizer Unternehmen zu neuen Wachstumschancen verhelfen will. Näher liegt der Gedanke, dass sich Temu als schärfere Konkurrenz zu etablierten Anbietern wie Digitec und Galaxus im Markt positionieren möchte - aber wer bin ich, dies zu beurteilen. Wenn das Resultat ein Positives ist und vermehrt Schweizer Produkte in der Schweiz Absatz finden, soll es mir recht sein. Interessant wird es allerdings, wenn man nach den lokalen Produkten sucht - und sie tatsächlich nirgends findet.

Sucht man nach “local products” oder “lokale Produkte”, so findet man diverse Artikel mit Aufschriften wie “Support your local Farmer” (T-Shirts) oder “Eat fresh, buy local” (eine Tasse”. Die T-Shirts stammen dabei aus Guangdong (China) und die Tassen aus Zheijang, ebenfalls China. Die Vorstellung, einen frischen Schweizer Most aus einer chinesischen Tasse mit der Aufschrift “buy local” zu trinken, entbehrt nicht einer gewissen Skurrilität, die zu einer Metapher für den Zeitgeist einlädt, die den Rahmen hier sprengen würde. Wenn man weiter nach den lokalen Produkten sucht und in der App eine einzelne Produktkategorie auswählt, beispielsweise Damenbekleidung, muss man bei der Auswahl der Produktfilter ganz nach unten scrollen und dort dann auf den Reiter “lokales Lager” klicken. Mit einem Klick auf den Button, der mehr Informationen zum Shop verspricht, erfährt man dann, dass hinter sämtlichen Produkten chinesische Unternehmen stehen. So läuft es auch bei anderen Produktabfragen. Das “lokale Lager” bedeutet schlicht, dass die Anbieter in ein Lager in Europa eingemietet sind und deshalb einen Versand innerhalb von 48 Stunden in Aussicht stellen können. Zum aktuellen Zeitpunkt findet sich auf Temu kein einziges Schweizer Produkt, trotz vollmundiger Ankündigung. Wer nach Schweizer Produkten sucht, findet zwar Heidibücher aus Hongkong oder Holzschnitz-Tutorials aus Szechuan, aber kein einziges Produkt mit Schweizer Herkunft.

Woran scheitert es also und was bedeutet das Programm local-to-local tatsächlich? Offenbar an den Schweizer Unternehmen, die sich dem Tiefpreisniveau zu recht nicht anpassen wollen oder sich dem Preisdumping aus ideellen Gründen widersetzen. So gibt eine Kleidermarke bekannt: “Für uns würde es aufgrund unserer Werte und unseres Nachhaltigkeitsversprechens niemals infrage kommen, auf Temu aktiv zu sein.”

Das freut und überrascht mich zugleich. Es scheint in diesem Sektor also zu funktionieren, was sich im Bereich der Agrarprodukte zumeist schwierig gestaltet: Man steht für faire Preise ein und ist nicht bereit, aufgrund ausländischer Konkurrenz ein bestimmtes Preisniveau zu unterschreiten. Während Schweizer Bäuerinnen und Bauern, getrieben vom Preiskampf durch die Importprodukte, oft versuchen, intensiver, günstiger und grösser zu produzieren, um Produzentenpreise zu senken, machen hier die Unternehmen einfach nicht mit. Chapeau! Klar ist die Situation auf dem Agrarmarkt komplexer und die Konkurrenzsituation verschärfter, aber umso mehr gelten hier die Sprüche auf den chinesischen Billigartikeln: Support your local Farmer & buy local! Onlineplattformen, auf denen man die Schweizer Bäuerinnen und Bauern und ihr Angebot findet, gibt es schliesslich verschiedene, wie beispielsweise lokal+fair vom Verein Faire Märkte Schweiz oder vomhof.ch vom Schweizer Bauernverband. Da sind wir Temu sogar einen Schritt voraus - buy local!

Meret Schneider

Unsere Autorin

Meret Schneider ist Linguistin, Kommunikations- und Umweltwissenschaftlerin und arbeitet als Projektleiterin für das Kampagnenforum. Davor war sie Nationalrätin des Kantons Zürichs, hat als Co-Geschäftsleitung einer NPO die Initiative gegen Massentierhaltung mitinitiiert, die Kampagne begleitet und war in verschiedenen Bereichen der landwirtschaftlichen Praxis tätig. Heute ist sie ausserdem freischaffende Journalistin und schreibt wöchentliche Kolumnen für Moneycab sowie Gastbeiträge für Nau.ch.

Meret Schneider