Junge Menschen für die Politik begeistern, aber richtig!

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Schweizweit vereinheitlichte Einbürgerungsverfahren, mehr Biodiversität oder eine bessere Information der Bevölkerung über die Organspende – diese Forderungen stammen nicht etwa aus der Feder von etablierten Politiker:innen, sondern wurden von Jugendlichen und jungen Erwachsenen erarbeitet. Im Rahmen der nationalen Jugendsession (10. bis 13. November) diskutierten 200 Vertreter:innen im Alter von 14 bis 21 Jahren zahlreiche Anliegen, formulierten Forderungen und überreichten diese an Nationalratspräsidentin Irène Kälin.

Das eingangs geschilderte Beispiel zeigt: Junge Menschen in der Schweiz wollen aktiv mitreden und sich Gehör verschaffen. Die Teilnehmenden der Jugendsession werden in einem Verfahren ausgewählt, das sicherstellt, dass die Schweizer Jugend möglichst breit abgebildet wird. Dies steht im krassen Gegensatz zur Realität in den «erwachsenen» Parlamenten der Schweiz. So liegt der Anteil der Frauen im Nationalrat momentan bei 42 Prozent und im Ständerat gar nur bei gut 26 Prozent. Nur wenig besser sieht es auf Kantons- und Gemeindeebene aus. Dabei bildet das Parlament der Stadt Bern seit den Wahlen 2020 mit einem Frauenanteil von 69 Prozent eine löbliche Ausnahme. Daneben gibt es zahlreiche weitere Ungleichheiten. Man denke zum Beispiel an die Untervertretung von Personen mit Migrationshintergrund oder an die Tatsache, dass gewisse Berufsgruppen wenig bis gar nicht in Parlamenten vertreten sind.

Was kann also getan werden, damit die neue Generation von engagierten jungen Politiker:innen in Zukunft möglichst genau die Realität in der Schweiz abbildet? Neben der bereits angesprochenen Jugendsession wird oftmals das Schlagwort der politischen Bildung in den Raum geworfen. Doch was macht gute politische Bildung aus? 

Zum einen ist es wichtig, dass politische Bildung einen festen Platz im Lehrplan bekommt. Im Moment ist es so, dass der politischen Bildung je nach Kanton eine mehr oder weniger grosse Aufmerksamkeit geschenkt wird. Diese Unterschiede sollten in Zukunft verkleinert werden, natürlich immer mit Blick auf die föderale Selbstbestimmung der Kantone. Bei dieser Vereinheitlichung sollte darauf geachtet werden, dass politische Bildung nicht nur im Gymnasium, sondern schon in der obligatorischen Schulzeit ein Thema ist. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass Schüler:innen aus allen Bevölkerungsschichten ihren Rucksack mit Wissen und Begeisterung für Politik füllen können. Man kann sogar so weit gehen, dass es schon in der Primarschule erste Inputs zur politischen Bildung geben soll. 

Dies führt zum letzten zentralen Punkt: Politische Bildung ist mehr als nur trockene Zahlen und Fakten. Zweifellos ist es wichtig, wenn an der Schule gewisse Inhalte zum politischen System der Schweiz vermittelt werden. Aber viel zentraler ist es, die Heranwachsenden für Politik zu begeistern. Dies kann gerade in den unteren Schulstufen auf spielerische Art und Weise geschehen. Mit zunehmendem Alter können die Schüler:innen selbst Ideen und Anliegen an die Politik ausarbeiten. Der Fokus soll dabei auf der Gemeindeebene liegen. Denn Entscheidungen in der Gemeinde betreffen die Jugendlichen viel direkter als Beschlüsse im meist fernen Bundeshaus. Die kommunale Ebene bietet daneben auch den Vorteil der Niederschwelligkeit. Die Schüler:innen können viel einfacher mit den Gemeindepolitiker:innen in Kontakt treten.

Die Schulen können dies fördern, indem Menschen aus der Lokalpolitik zum Austausch in das Klassenzimmer eingeladen werden. Hier können konkrete Anliegen, wie beispielsweise der Wunsch nach einem Treffpunkt für die Jugendlichen, vorgestellt und direkt mit den verantwortlichen Personen diskutiert werden. Die Schüler:innen fühlen sich dadurch von der Politik gehört und ernst genommen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Jugendlichen im Erwachsenenalter aktiv am politischen Geschehen in der Schweiz teilnehmen, wodurch unsere Demokratie gestärkt wird.

David 16:9 alt

Unser Autor

David ist Politikwissenschaftler, hat an der Uni Zürich sowie an der Uni Bern studiert und war neben seinem Studium als Workshopleiter und (Weiterbildungs-)Kursorganisator aktiv. Kampagnenforum bereichert er mit seinem Wissen und seiner Erfahrung aus dem Bereich der Jugendparlamente, der Kommunikation und der politischen Bildung.

David Uster