Das Greenwashing der Luftfahrtbranche

Flugzeug Himmel

Der Irrglaube

Eines vorweg: Es ist ein Irrglaube, dass Fliegen durch die Kompensation von Emissionen «klimaneutral» und «Netto-Null» wird, wie dies von führenden Airlines propagiert wird. Nur zwei Prozent der Kompensationsprojekte werden wahrscheinlich zu einer Emissionsminderung führen. Auch das derzeitige Werben der Luftfahrtbranche mit «nachhaltigem Kerosin (SAF)» ist reine Augenwischerei. SAF steht für Sustainable Aviation Fuel, zu Deutsch: «Nachhaltiger Flugzeug-Treibstoff»; ein Flugbenzin, das aus nichtfossilen Rohstoffen besteht und nachhaltig hergestellt wird. 2019 wurde dem herkömmlichen Kerosin höchstens 0,1 Prozent SAF beigemischt, ein Mischungsverhältnis, das man durchaus als homöopathisch bezeichnen kann.

CO2-neutral ist nicht klimaneutral

Die Herstellung von SAF ist sehr energieaufwändig und sehr teuer – zu teuer für die meisten Airlines. Der jährliche Zuwachs von SAF ist so gering, dass optimistischen Schätzungen zufolge SAF im Jahr 2040 gerade mal 19 % der gesamten Kerosinmenge ausmachen wird. Die verbleibenden 81 Prozent Kerosin werden immer noch aus Erdöl gewonnen.

Übertrieben ist auch der Optimismus gegenüber technologischen Lösungen, der durch die Luftfahrtindustrie und ihre Lobby in der Politik verbreitet wird. Treibstoffeffizientere Flugzeuge sind sicher keine falsche Lösung, sie reichen allerdings bei Weitem nicht aus, die Dekarbonisierung rechtzeitig zu erreichen. Diese «Technologiemythen» der Flugindustrie verhindern die notwendigen Fortschritte in der Klimapolitik. Optimistische Szenarien rechnen mit einer Effizienzsteigerung (Energieverbrauch pro Passagierkilometer) von nur 30 % bis 2050 - nicht genug, um die Erderwärmung auf unter 1,5 °C zu begrenzen.

Grösste CO2-Schleuder der Schweiz

Die Luftfahrt schafft es immer wieder, sich ihrer Verantwortung bei der Bewältigung der Klimakrise zu entziehen. Ihre Klimaschutz-Massnahmen sind entweder falsch oder unzureichend oder beides. Zwischen den tatsächlichen Bemühungen zur Reduktion von Emissionen und dem «grünen» Marketing klafft eine riesige Lücke. Der Klima-Notstand findet im Marketing der Airlines nicht statt, dafür beschwört es die Freiheit des Fliegens, den Zugang zur Natur und vertickt dabei Billigflüge. Die wahren Kosten des Fliegens, die Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen, sind in keinem Billigflugpreis enthalten. In der Schweiz ist die Luftfahrt mit 27 Prozent die grösste CO2-Schleuder, noch vor dem Strassenverkehr mit 23 Prozent.

Auch Nichtflieger zahlen den Preis: Die Luftfahrt ist nämlich wie kein anderes Verkehrsmittel mit öffentlichen Geldern subventioniert: Sie ist

  • befreit von Treibstoffsteuern,
  • zahlt keine Mehrwertsteuer und
  • entrichtet keine Verkehrsabgaben.

Sogar die SBB zahlt für ihren Betrieb Trassenpreise. Die Luftfahrt zahlt nichts. Wenn der öffentliche Druck mal zu hoch wird, schützt sie sich mit Pseudomassnahmen wie z. B. CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) ein Kohlenstoff-Kompensations- und Reduktionsprogramm für die internationale Zivilluftfahrt. Es wurde von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) beschlossen und startete am 1. Januar 2021. Die Europäische Union hat eine Studie zur Wirksamkeit der CORSIA-Massnahmen anfertigen lassen: Die EU-Kommission kam zum Schluss, dass es unwahrscheinlich sei, dass sich dadurch etwas Wesentliches an den direkten Auswirkungen des Flugverkehrs auf das Klima ändere. Danke für Nichts.

Das Versagen der Medien

Um das Greenwashing der Luftfahrt zu betreiben, werden die Medien eingespannt, die vielfach der Luftfahrtlobby aufsitzen und deren Werbung vom «umweltfreundlichen Fliegen» unreflektiert verbreiten. Eines der negativsten Beispiele schlechter journalistischer Arbeit lieferte die SRF-Sendung «Einstein». Am 28. April 2022 wurde die Folge «Erderwärmung stoppen – Aber wie?» ausgestrahlt. Im Zentrum des Berichtes: CO2 neutrales Kerosin – erinnern Sie sich an den Namen, den sie im ersten Abschnitt gelesen haben? Richtig: SAF. Der Moderator hielt es nicht für nötig, Fragen zu stellen, welche Schadstoffe (wie z. B. NOX, Russpartikel, Wasserdampf) und in welcher Menge weiterhin ausgestossen werden. Unsere Kontaktnahme mit Fragen an die Redaktion wurde trotz zweimaligem Nachhaken nicht beantwortet.

Portrait Urs Dietschi

Unser Autor

Urs Dietschi ist grüner Kantonsrat in Zürich, Vizepräsident und Sprecher des Vereins FAIR in AIR, der sich für eine hohe Lebensqualität der Wohnbevölkerung rund um den Flughafen Kloten engagiert. 

Durch seine politische Tätigkeit und den Verein setzt er sich für eine umweltfreundlichere Gesellschaft ein und kämpft gegen das massive Wachstum des Flugverkehrs in der Schweiz.

 

Urs Dietschi